Jim Spastics und Hans Gender:
Cindy kauft sich ein Kleid bei H&M und zieht ins West Germany
Okay, unsere Identität entsteht durch Behauptungen und Zuschreibungen. Aber die Frage ist doch: Kann ich damit beim Bäcker sieben Kaffee bestellen? Bin ich mein eigenes Kollektiv? Was ist das Gegenteil von Wieder- erkennungswert und wie kann ich mich darin bewegen? Wie kann ich meine eigene Geschichte nicht im Ausschlussverfahren erzählen, sondern als Erweiterung eines nicht endenden Repertoires? Kann ich all diese Images in Zwiebeltechnik übereinander tragen? Sieben Frauen legen auf Karteikarten eine neue Identität an: Cindy, das bin ich. Karte für Karte füllen wir einen Lebenslauf auf, mit unseren Eckdaten, mit euren Outfits, mit Blicken aus der U- Bahn, mit Kinderfotos, Posen, Interviewfragmenten und Filmszenen am Kottbusser Tor.
Dann liegt eine Identität aus zweiter Hand vor uns auf den Fliesen. Aber wir passen diesen Lebenslauf nicht an einen Verwendungszweck an, sondern lassen den Ventilatorwind entscheiden, wer wir heute sind. Vielleicht erzählt die Art, wie ich eine ehemalige Arztpraxis wische, mehr über mich als mein Geburtsort?
Auf dem Balkon, unter schlafenden Satellitenschüsseln, könnt ihr uns wiedererkennen: Ulla, Eva, Hannah, Greta, Maritta, Iris, Mathilde.
Aber eine Umkleidekabine ist unser Transitraum, von dem aus wir das Innere betreten, die Zimmer ohne Wände. Dort werden wir nach und nach zu Cindy. Auch wenn der Bob schief sitzt und wir in euren Schuhen stehen: Das bin ich.
Performance von und mit: Jim Spastics & Hans Gender alias Ulla Bernhard, Eva Burghardt, Hannah Georgi, Greta Granderath, Maritta Horwarth, Iris Kleinschmidt, Mathilde Walter
Jim Spastics & Hans Gender ist ein interdisziplinäres Performance-Kollektiv, das 2008 in Berlin begründet wurde und in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeitet. Die aktuellen Mitglieder und Mitbegründerinnen sind Tänzerinnen, Schauspielerinnen, Performerinnen, bildende Künstlerinnen, Autorinnen, Theaterwissenschaftlerinnen und Technikerinnen. Über die entscheidenden Spielzüge wird demokratisch abgestimmt. Das Basislager von Jim Spastics & Hans Gender befindet sich mittlerweile im virtuellen Raum sowie in Berlin, Hamburg, Innsbruck und Köln.
Kamera: Arne Strackholder
West Germany – Büro für Postmoderne Kommunikation, Hebbel am Ufer 2, 100° Festival Berlin
Berlin / 2009
Fotos: Barbara Günther-Burghardt